LinkedIn, Microsoft & die neue AI-Policy.

LinkedIn, Microsoft & die neue AI-Policy.
Wir zahlen das Abo mit Geld, Werbung und unseren Daten?

Es gibt Entscheidungen, die sind nicht nur unklug, sondern regelrecht selbstzerstörerisch. Microsofts neue LinkedIn-A.I.-Policy gehört in genau diese Kategorie.

In einer Phase, in der Datenschutz, Verlässlichkeit und Datensparsamkeit ohnehin mehr im Fokus stehen als sonst, Anbieter kritisch beäugt werden, schiesst man unüberlegt eine Maßnahme raus, die gleich mehrere Kardinalfehler vereint:

  • Dummheit: strategisch in einer kritischen Phase.
  • Gier: nach dem nicht ganz so neuen „neuen Gold“, den Daten.
  • Unprofessionalität in der Kommunikation: keine Mail, kein offizielles Statement, sondern ein halbes Pop-Up, das nicht einmal jeder sah.
  • Unprofessionalität in der Entwicklung: wenn schon Pop-Up, warum nicht für alle?
  • Auch wenn juristisch vielleicht einwandfrei kann man hier über einen Verstoß (zumindest gegenüber dem tragenden Gedanken) gegen §5 der DSGVO, dem Grundsatz der Datensparsamkeit

Und das alles, obwohl die Nutzer bereits mit echtem Geld zahlen. Rund 50 Euro pro Monat kostet LinkedIn Premium, also 600 Euro im Jahr. Dafür darf ich erstens Werbung ertragen, und nun sollen auch noch meine Inhalte als KI-Trainingsmaterial dienen?


Google als positives Gegenbeispiel (!)

Kaum zu glauben, aber hier lohnt der Blick zu Google. Dort ist das Geschäftsmodell seit vielen Jahren wenigstens ehrlich und konsistent:

  • Kostenlose Services: Bezahlung mit Daten und man ist automatisch Beta-Tester neuer Funktionen.
  • Wer keine Daten teilen möchte und die dann komplett ausgereiften Features nach ausgedehnten Tests durch die kostenfreien Nutzer haben möchte, zahlt ca. 13+ Euro im Monat für Google Workspace und hat Ruhe und Sicherheit.

Und genau hier liegt der Kern: Es ist vollkommen legitim, wenn kostenlose Nutzer mit ihren Daten bezahlen. Wer „free“ nutzt, zahlt eben mit Profilen, Bewegungsdaten oder Klickverhalten, das ist hier das Geschäftsmodell. Problematisch wird es erst dann, wenn zahlende Geschäftskunden zusätzlich ein zweites und drittes Mal abkassiert werden. Wäre hier ein Kickback an den Kunden angemessen?


LinkedIn: „Wir machen das, weil wir es können“

Bei LinkedIn läuft es anders: Ein versteckter Opt-Out. Wer in den Einstellungen nicht aktiv widerspricht, wer in der Hektik der Tage die Änderung gar nicht mitbekommt, dessen Inhalte sind automatisch im Trainingsdatensatz. Rückwirkend, wohlgemerkt, kann man die Nutzung nicht mehr zurückziehen.

Das Perfide daran: Als Premium-Kunde zahlt man bereits mit richtigem Geld. Besagte 600 Euro im Jahr. Man bezahlt ein zweites Mal zusätzlich mit Werbung, die trotz Abo ausgespielt wird. Und jetzt kommt noch die Bezahlung mit Daten hinzu. Ein dreifaches zur Kasse bitten – ein Muster, das man eigentlich nur aus Abofallen kennt.

Günstig ist die Mitgliedschaft wahrhaftig nicht ...

Und damit widerspricht LinkedIn interessanterweise der sonstigen Microsoft-Rhetorik: Für Geschäftskunden im Azure- und Microsoft-365-Umfeld betont Redmond und seine Parteigänger immer wieder, dass ohne Einwilligung keine Daten fürs Training genutzt werden. Bei LinkedIn aber greift man zu, weil man es kann und weil die meisten Nutzer eh nicht widersprechen werden. Und hinterlässt wieder den bitteren Nebengeschmack eines weiteren gebrochenen Versprechens.

Juristisch mag sich LinkedIn mit einem Opt-Out auf das ‚berechtigte Interesse‘ nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO stützen. Doch mit dem eigentlichen Gedanken der DSGVO – insbesondere § 5, dem Prinzip der Datensparsamkeit – hat dieses Vorgehen nichts mehr zu tun. Wer als Premium-Kunde bereits zahlt, darf erwarten, dass nicht noch zusätzliche Datenströme abgegriffen werden. Es ist der Unterschied zwischen dem Buchstaben des Gesetzes und dessen Geist – und genau diesen Geist verrät LinkedIn hier und heute.

Einmal mehr also: „Wir machen das, weil wir es können. Und wir werden damit durchkommen.“


Die „Es ist ja nicht so schlimm“-Fraktion

Natürlich melden sich nun die üblichen Stimmen:

  • „Alle Anderen machen das doch auch.“
  • "Ich finde das nicht schlimm, meine Daten sind eh im Internet"
  • "Du weisst doch, worauf Du Dich eingelassen hast ..."
  • „Dann geh doch zu Xing.“
  • „Wen interessiert’s? Mich nicht...“
  • "Es wird eh niemand gehen..."

Merkt ihr was?

Das mag alles sehr bequem klingen, ist aber genau der Grund, warum ethisch fragwürdige Entscheidungen ohne großen Widerstand durchgehen. Wie so oft wenn es um Themen des Datenschutzes bzw. Grundsätze der Datensparsamkeit geht. "Ich habe nichts zu verbergen..." Protest? Ja, sicher. Wirkung? Leider oft fraglich.

Aber: Vielleicht hilft diesmal genug Entrüstung. Vielleicht hören einige Microsoft-Mitarbeiter mit Rückgrat zu und handeln integer, mehr im Sinne des Kunden, weniger im Sinne absoluten Shareholder Values.


Digitale Souveränität als Gegengewicht

Das eigentliche Problem: Vertrauen geht verloren.
Bei dem Thema Cloud, egal ob "pivate" oder "public", chinesischer oder amerikanischer Hyperscaler oder europäisch-lokaler Anbieter gilt indiskutabel "It's all about trust." Egal was in irgendwelchen Verträgen steht, egal was mit der EU verhandelt wird, der gute Ruf eines Anbieters ist sein Gold, seine Produkte sein Silber.
Und Vertrauen und guter Ruf ist die Basis jeder Plattformökonomie. Wer seine Kunden einmal so vorführt, wird es beim nächsten Mal sicher etwas schwerer haben.

Aus diesem und vielen anderen hochaktuellen Gründen ist genau jetzt die Stunde der Gegengewichte. Lokale Anbieter wie Xing, IONOS, MailBox, Infomaniak, Novastor, SUSE, Tuxedo oder Volla können hier grundsätzlich punkten – durch Verlässlichkeit, Transparenz und eine konsequent datensouveräne Haltung.

Vielleicht ist es sogar der Moment, in dem besagtes Xing nach Jahren der (durchaus selbstverschuldeten) Bedeutungslosigkeit eine kleine Renaissance erlebt. Warum nicht? Die Gunst der Stunde war selten so günstig. Pustet den Staub aus eurer Platform, passt sie den Markterfordernissen an und seit euch nicht zu schade euch an Linkedin & Co zu orientieren. Bietet ein stark rabattiertes Jahrespaket mit tollen Features an. Bewegt euch jetzt! Bei aller Kritik macht Linkedin hier nämlich erwiesenermaßen einen guten Job und dominiert den Markt heute aus gutem Grund.


Vorsicht: Microsofts Einkaufstouren

Ein weiterer Aspekt, den man nicht unterschätzen sollte: Microsoft hat eine lange Tradition, erfolgreiche Plattformen und Services einzukaufen und diese dann eisenhart auf die eigene Linie zu bringen oder gar einzustampfen.

Die Liste ist lang und bunt gemischt:

  • Mojang (Minecraft, 2014): erfolgreich integriert, aber auch hier stetig stärker in das Microsoft-Ökosystem eingebunden.
  • aQuantive (2007): teuer gekauft, noch teurer abgeschrieben.
  • Nokia (2014): das wohl prominenteste Beispiel für eine Zerschlagung, die ganze Branchen verunsicherte.
  • Skype (2011): einst dominierend, heute weitgehend technologisch durch Teams verdrängt. Hier kaufte man die Nutzerbasis, der Rest war Kollateralschaden.
  • LinkedIn (2016): damals als eigenständig vermarktet, nun offensichtlich Teil der Microsoft-Data- und AI-Strategie.
  • GitHub (2018): Zusagen gebrochen, Vertrauen verspielt, wieder einmal, siehe „Die Chronologie eines Wortbruchs ... “.
  • Nuance (2021): spezialisiert auf Sprach-KI, nun vor allem Treibstoff für Copilot & Azure.

Die Muster ähneln sich: kaufen, integrieren, verschlanken, auf Linie bringen. Für Nutzer und Partner bedeutet das: Alles, was heute noch unabhängig wirkt, kann morgen schon den Konzerninteressen untergeordnet sein. Und die Marktvielfalt schrumpft während ein Monopolist sein Portfolio ausbaut.


Fazit

Microsoft und LinkedIn begehen mit der neuen AI-Policy denselben Fehler wie schon bei GitHub: Zusagen gebrochen, Vertrauen verspielt.
Sie setzen auf die Trägheit ihrer Nutzerbasis. Und werden wohl in den meisten Fällen damit durchkommen.

Aber es bleibt die Frage:
Wie lange noch wollen wir für Services zahlen, um dann trotzdem noch einmal mit unseren Daten zu „bezahlen“?

Digitale Souveränität ist kein Luxus, sondern notwendige Selbstverteidigung.

👉 Und genau deshalb brauchen wir die Alternativen. Damit man wählen kann.

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