Smart Country Convention 2025 – Aufbruch, Souveränität und das Ende der Ausreden

Vorspiel
Donald Trump hat im jüngsten AI Action Plan noch einmal festgelegt, dass die USA eine „fraglose und unbestrittene globale technologische Dominanz“ umsetzen müssen. Auf technologischem Gebiet sollen die USA nicht nur führen, sondern „ihre Überlegenheit muss über jeden Zweifel erhaben sein“. Was für ein Brett unmittelbar vor der Smart Country Convention '25 in Berlin. Und das befeuert natürlich den emotionalen Anteil in jedweder Diskussion, die dort geführt wurde.
Zurück in Berlin auf der #SCCon25 : Drei Tage Aufbruch bei den Einen – und Ratlosigkeit bei den Anderen
Drei Tage ausgezeichneter Vorträge, Impulse und Diskussionen. Die „neuen“ innovativen Player dominierten diese Tage – ZenDis, Schwarz Digits, die Heinlein‑Gruppe (speziell mit OpenTalk), Tuxedo als allzeit-verlässlicher Hardware‑Partner und SUSE als einer unserer ureigensten Anbieter für Open Source (1992 in Fürth!). Die OSBA war ebenfalls mit von der Partie.
Man spürt ein unheimlich dynamisches Aufbruchsgefühl bei den Vertretern der neuen Welt – und eine gefühlte Ratlosigkeit bei Vertretern der alten Welt, die die letzten zehn Jahre maximale Service‑Zentralisierung in großen Hyperscaler‑Umgebungen propagiert haben. Plötzlich ändert der Kunde das Wording und übernimmt die Deutungshoheit. Das verschreckt den einen oder anderen Player, der gerne süffisant von „alter Welt“ und „neuer Welt“ sprach – und damit dem Kunden oft arrogant seine ureigene Kompetenz absprach.
Mein Highlight: Claudia Alsdorf (Schwarz Digits)
Jenseits vieler inspirierender Gespräche war mein persönliches Highlight der Vortrag von Claudia Alsdorf, Head of Business Development bei Schwarz Digits. Ein flammender Appell für digitale Souveränität, europäische Leistungsfähigkeit und für den Wandel. Digitale Souveränität entscheidet sich nicht im Rechenzentrum, nicht im Serverraum – sondern in Lösungen.
Ein klares Bekenntnis zur neuen Welt, zu ethischer IT und zur Ausrichtung ihres Unternehmens. Chapeau, wir brauchen mehr Unternehmen in Europa, die diesen Mut beweisen bzw. leben.
Kernthesen, die hängenbleiben
- Innovation first, regulate later – so agieren viele andere Länder.
- Deutschland und Europa sind Vorreiter in der IT‑Regulierung – gut gemeint, aber oft zu früh und zu kleinteilig.
- Kosteneffizienz entsteht durch Einheit/Koordination: der Städte, der Bundesländer (auch mit dem Bund), der europäischen Staaten und der europäischen Wirtschaftsunternehmen.
- Standardisierte Full‑Stack‑Lösungen „made in Europe“, based on Open Source.
- KI‑Kompetenz ist da – siehe z. B. Le Chat/Mistral und viele mehr. Wenn wir diese Unternehmen aber nicht aktiv wirtschaftlich durch unser Konsumverhalten unterstützen ist das nächste Milliarden-Angebot aus China oder den USA - siehe Kuka oder Hornet Security - doch sehr sehr verlockend.
- Die Unicorns im Mittelstand sind da, wir geben ihnen nur zu wenig Chancen und Visibilität – siehe z. B. OpenCloud, OpenTalk, mailbox(.org), Novastor und viele mehr.
Was Souveränität wirklich heißt
Souveränität bedeutet Daten‑ und Betriebshoheit. Aber auch Unabhängigkeit von nicht‑souveränen Herstellern sowie geschlossenen Code. Von deren Update‑, Lizenzierungs‑ und Software‑Pflegezyklen. Einige Dienstleister tun sich mit der Trennung von den Hyperscalern wahnsinnig schwer. Der Bedarf beim Kunden ist da – und wächst täglich.
Wichtig ist, souveräne Stacks auszubauen und weiterzuentwickeln – nicht mehr einer kleinen Handvoll internationaler chinesischer und amerikanischer Konzerne hinterherzulaufen und sich von vornherein mit einem Platz 3 oder 4 zufrieden zu geben.
Open Ethical AI – ein Raster:
- Code offen (Open Source) – Code‑Audit - muss ohne Diskussion öffentlich möglich sein.
- Modell verfügbar – Way of thinking - muss transparent gemacht werden. Welche Werte verdrahtet wer hart in dem Modell?
- Trainingsdaten verfügbar – Validierung der Trainingsbasis. Nur so vermeiden wir intransparente Biases in den Modellen.
Von „Networking“ zu Zusammen wirken
„Networking“ wir zu „Zusammenarbeiten“ und in den optimalen Fällen zu einem „Zusammen wirken“: Sinnstiftung Schritt für Schritt ist etwas Großartiges – jenseits von reinem Shareholder‑Value. Es ist durchaus möglich. Vom Kunden zum Dienstleister zum einzelnen Mitarbeiter. Hier stellt sich aber immer die Frage "Welcher Typ Mensch bin ich?".
Momentumverlust entsteht durch viele vergleichbare, parallele, unkoordinierte Digitalisierungsinitiativen auf unterschiedlichen Ebenen – Kommunen, Bundesländer, Bund und EU‑Nationen. Wie viel Großartiges könnten wir gemeinsam bewirken? Wir lernen: Geld ist nicht das Problem, Technologie ist auch nicht das Problem, beides ist da. Sondern die bürokratischen Hürden und manchmal auch mangelnde Geschlossenheit. Wird die Politik wohl in der Lage sein, diesen letzten Punkt zu knacken?
Gegenargumente entkräften: „Wir haben doch keine Chips!“
Gegner der Souveränitäts‑Debatte ziehen gern das Chips‑Argument: „Wir haben ja nicht mal Hardware-Produktion. Seit Infinion produzieren wir ja nicht mal Chips. Da haben wir keine Aktien drin.“
Gegenbeispiel: 80 % der weltweiten Chip‑Produktion hängen an Lithographie‑Masken von ZEISS. Europa ist sehr wohl in weltweit kritischen Wertschöpfungsstufen präsent – man muss es nur nutzen. Und sich von Zeit zu Zeit ins Gedächtnis rufen.
Technologie als Machtinstrument
Um auf Trumps AI Action Plan zurück zu kommen. Den Zusatz AI kann man hier getrost streichen. Der Dominanz-Ansatz erstreckt sich hier über die Wertschöpfungskette von Ressourcen bis zum Service. Und machen wir uns nichts vor. Mit Trumps Abgang irgendwann wird das nicht aufhören.
- Gas aus Russland für Deutschland
- Elon Musks Starlink für die Ukraine
- Mailboxen bei Microsoft
3 sehr präsente Beispiele für (schwer überwindbare) Abhängigkeiten. Es zeigt aber auch wie Technologie (und Infrastruktur) Macht ausübt – und warum Souveränität mehr ist als eine technische Feature‑Liste, ein nice to Have.
Was wirklich zählt (und was nicht)
- Selbstbestimmung und Wahlfreiheit sind wichtiger als Tool‑Glaubenskriege.
- Datenschutz und Compliance sind essentiell und in keiner Art verhandelbar.
- Dezentrale Services sind essentiell, ein Garant für verteilte Unabhängigkeit.
- Hyperscaler‑RZs in die EU zu verlagern ist nicht der Punkt.
- Entkopplung von Service‑Anbieter & Code‑Anbieter ist essenziell.
- Open Source ist unser geopolitisches Machtinstrument, um digitale Souveränität zu erreichen.
- Rennen bzw. Vermeidung von KI‑Dominanz: Vordergründig geht es immer nur um Technologie & Innovation – hintergründig aber um langfristige weltpolitische Technologie‑Dominanz.
- KI‑Wertschöpfungskette: Wer Souveränität will, muss jedes Glied der Kette verstehen und nach Möglichkeit beherrschen.
Der Paradigmenwechsel beim „Reifegrad“
Ein großer Paradigmenwechsel zeichnet sich ab. Über viele Jahre hatten einige Hersteller die Deutungshoheit über den „Reifegrad“ eines Kundenszenarios – man diskutierte, wie „Cloud‑ready“ oder „AI‑ready“ ein Kunde sei.
Jetzt drehen die Kunden den Spieß um und challengen Lieferanten und Dienstleister hinsichtlich deren Reifegrad. Und der misst sich nicht in Hyperscaler-Kompatibilitäten, Datenmodellen oder strukturierten und rechtegesicherten Dokumente-Ablagen, sondern an der Reife des Dienstleisters und der Reife des Code‑Lieferanten.
SAP/Delos Cloud × Microsoft × OpenAI – Souveränitäts‑Washing?
Am 24. September hat SAP eine Partnerschaft ihrer Tochter Delos Cloud mit Microsoft und OpenAI verkündet. Diese sicher mit langer Hand vorbereitete Kooperation erklärt das jüngste Framing von SAP‑Chef Christian Klein, der das Thema digitale Souveränität zuletzt sehr kontrovers diskutiert hat. Offensichtlich hatte einer unserer potenziell mächtigsten Player in Deutschland seine Ausrichtung bereits beschlossen.
Der Fokus der Kunden auf digitale Souveränität – und die Verweigerung, Produkte zu nutzen, die unter dem Mantel des Souveränitäts‑Washings platziert werden – führt dazu, dass die Kooperation SAP/Delos × OpenAI × Microsoft sehr kritisch auf der SCCon25 gesehen wird. Die Zeit wird zeigen, ob SAP hier auf das richtige Pferd gesetzt hat.
Bundes‑CIO Markus Richter bezeichnete die Entscheidung pro Delos Cloud nicht umsonst als „Übergangslösung“. Sein Appell an die Bundesländer, Delos Cloud mit zu nutzen, stieß aus offensichtlichen Gründen auf viele taube Ohren.
Fazit: Der Weg ist offensichtlich
Es weht ein frischer Wind durch die öffentliche Verwaltung – und bei den Partnern, die den Staub der letzten zehn Jahre abschütteln wollen und können. Digitale Souveränität steht im Vordergrund. Eine Trennung von Software‑Anbieter und Service‑Provider ist dabei ein zentraler Baustein.
So können Unternehmen wie IONOS, Wortmann, DATAGROUP, United Cloud, Convotis, Infomaniak und viele mehr einen essentiellen Beitrag leisten. Und wenn man sich dann noch entscheidet, offenen Code einzusetzen – also souveräne Infrastruktur zu souveränen Lösungen auf Basis eines Open‑Source‑Stacks zu kombinieren – dann ist man in der Königsklasse angekommen.